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Die Antisemitismus-Studie 2018 im Auftrag der Parlamentsdirektion schließt die bestehende Forschungslücke rund um Status und Entwicklung antisemitischer Tendenzen in Österreich. Vereinzelt durchgeführte Studien zum Thema liegen bereits zahlreiche Jahre zurück. Vor dem Hintergrund des Gedenkjahres 1938–2018 und angesichts der Debatte über neue Formen des Antisemitismus in Österreich durch Zuwanderung ermöglicht die Antisemitismus-Studie 2018 eine empirisch fundierte Grundlage zur Analyse und Diskussion antisemitischer Stereotype.
Die Studie bietet eine aktuelle Bestandsaufnahme der Verbreitung der unterschiedlichen Formen des Antisemitismus in Österreich und ermöglicht eine Differenzierung zwischen manifestem (rund 10 % der Befragten) und latentem Antisemitismus (rund 30 % der Befragten). Türkisch und Arabisch sprechende UmfrageteilnehmerInnen stimmen antisemitischen Aussagen fast durchwegs wesentlich stärker zu als die österreichische Gesamtbevölkerung.
Der zusätzlich zur Studie angestellte historische Vergleich mit Umfragedaten aus den vergangenen Jahrzehnten zeigt Entwicklungstendenzen auf und dokumentiert, dass sich das Meinungsklima in der Antisemitismusfrage in Österreich zum Positiven verändert hat.
Die Ergebnisse der Antisemitismus-Umfrage 2018 bilden unterschiedliche Dimensionen antisemitischer Einstellungen ab:
– Der traditionelle Antisemitismus, der Juden als „übermächtige Instanz“ ansieht, findet in der repräsentativen Studie vor allem im wirtschaftlichen Kontext starke Zustimmung. So stimmen in der österreichweiten Repräsentativumfrage 39 % der Befragten der Aussage „Die Juden beherrschen die internationale Geschäftswelt“ zu.
– Israelbezogenen Antisemitismus repräsentieren Aussagen wie „Die Israelis behandeln die Palästinenser im Grunde genommen auch nicht anders als die Deutschen im Zweiten Weltkrieg die Juden“. Diese Meinung teilt jede/r dritte Befragte (34 %).
– Hohe Zustimmungsraten erhalten Aussagen, die Juden ein Ausnützen der Opferrolle unterstellen (sekundärer Antisemitismus): „Juden versuchen heute Vorteile daraus zu ziehen, dass sie während der Nazi-Zeit Opfer gewesen sind“ ist eine Aussage, die 36 % unterstützen.
– Der Vorwurf der Assimilierungsverweigerung wird in der Zustimmung zu Aussagen wie „Es ist nicht nur Zufall, dass die Juden in ihrer Geschichte so oft verfolgt wurden; zumindest zum Teil sind sie selbst schuld daran“ abgebildet. Jede/r fünfte Befragte (19 %) unterstützt dieses antisemitische Stereotyp.
– Gradmesser für rassistischen Antisemitismus ist die Zustimmung zu Aussagen wie „Von einem Juden kann man nicht erwarten, dass er anständig ist“ oder „Wenn ich jemanden kennenlerne, weiß ich in wenigen Minuten, ob dieser Mensch ein Jude ist“. Der Anteil an zustimmenden Antworten liegt bei 8 bzw. 12 Prozent.
– Holocaust-Leugnung wird als antisemitische Einstellungsdimension in der Zustimmung zu Äußerungen wie „In den Berichten über Konzentrationslager und Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg wird vieles übertrieben dargestellt“ deutlich. Diese Meinung äußert jede/r zehnte Befragte der Umfrage.
– Die Rolle des religiösen Antijudaismus für den Antisemitismus artikuliert sich in einem religiös motivierten Antisemitismus: Die Aussage „Juden haben nach wie vor den Tod Jesu zu verantworten“ unterstützen 14 % der Befragten.
Manifester und latenter Antisemitismus
In der Zusammenschau der Ergebnisse wird deutlich, dass der manifeste Antisemitismus vor allem in den Einstellungsdimensionen rassistischer Antisemitismus und Holocaust-Leugnung sichtbar wird. Der manifeste Antisemitismus ist mit einem Anteil von rund 10 % der Bevölkerung quantifizierbar. Über diesen antisemitischen Nukleus hinaus äußert sich in den Einstellungsdimensionen mit den höchsten Zustimmungsraten (traditioneller Antisemitismus, israelbezogener Antisemitismus, sekundärer Antisemitismus) latenter Antisemitismus. Die 2018 erhobenen Umfrageergebnisse belegen, dass bei rund 30 Prozent der Befragten eindeutige Indizien für latenten Antisemitismus vorliegen.
Importierte antisemitische Narrative
Vor dem Hintergrund der Debatte über „importierten“ oder „zugewanderten“ Antisemitismus wurde die bundesweite Repräsentativumfrage um jeweils 300 Interviews in zwei „Aufstockungsgruppen“ (Türkisch Sprechende, Arabisch Sprechende) ergänzt. Die Ergebnisse zeigen erheblich abweichende Einstellungen an: Türkisch und Arabisch sprechende UmfrageteilnehmerInnen stimmen antisemitischen Aussagen fast durchwegs wesentlich stärker zu als die österreichische Gesamtbevölkerung. Während etwa 11 % der Gesamtumfrage erklären, „Wenn ich jemanden kennenlerne, weiß ich nach wenigen Minuten, ob dieser Mensch Jude ist“, sind es bei den Arabisch Sprechenden 43 % und bei den Türkisch Sprechenden 41 %. Der Aussage, „Wenn es den Staat Israel nicht mehr gibt, dann herrscht Frieden im Nahen Osten“ stimmen nur 11 % der Befragten in der österreichweiten Repräsentativumfrage, aber enorme 76 % der Arabisch Sprechenden und 51 % der Türkisch Sprechenden zu.
Historischer Vergleich
Wie sich die Zustimmung zu antisemitischen Stereotypen im Zeitvergleich verändert hat, verdeutlicht der Vergleich der Ergebnisse der Antisemitismus-Umfrage 2018 mit vorhergehenden Erhebungen. So zeigt sich bei der Aussage „Es ist nicht nur Zufall, dass die Juden in ihrer Geschichte so oft verfolgt wurden; zumindest zum Teil sind sie selbst schuld daran“ eine deutliche Abnahme der Zustimmung im Zeitverlauf – von fast 80 % im Jahr 1982 auf knapp 20 % im Jahr 2018. Wussten nach eigenen Angaben 1968 25 % nach Kennenlernen eines Menschen „in wenigen Minuten, ob dieser Mensch Jude ist“, so sind es 2018 11 %.
Hingegen findet die Aussage „Wegen der Verfolgung der Juden während des Zweiten Weltkrieges haben wir heute eine moralische Verpflichtung, den Juden in Österreich beizustehen“ eine massiv gestiegene Zustimmung: 1973 waren es noch 20 %, die zustimmten, 2018 bereits 41 %. Der positive Einstellungswandel wird auch an der Zustimmung zur Aussage „Juden haben viel zum kulturellen Leben in Österreich beigetragen“ von 56 % der Befragten deutlich.